Wolfgang hat wieder einen NamenKünstler Günter Demnig verlegt “Stolperstein” für Adendorfer Sinto-Jungen, der 1942/43 Schüler der Dorfschule warpet Adendorf. Nicht einmal acht Jahre alt wurde Wolfgang Mirosch. Am 9. November 1943 starb der kleine Adendorfer im Konzentrationslager Auschwitz. Sein “Verbrechen”: Er war Sinto. Die Todesursache: “Kachexie”, das ist “lang anhaltender Hunger”. Seit gestern Mittag erinnern ein “Stolperstein” und eine Gedenktafel, verlegt vor der Adendorfer Dorfschule, wo er ein halbes Jahr zur Schule ging, an Wolfgang Mirosch.
Am 23. November 1935 wurde Wolfgang Mirosch in Celle geboren, über das Kinderheim Wilschenbruch in Lüneburg kam er im April 1936 in eine Pflegefamilie in Adendorf, vom 6. August 1942 bis zum 9. März 1943 besuchte der Junge die Dorfschule in Adendorf. An diesem Tag holte ihn die Polizei aus dem Haus seiner Pflegeeltern in der Fliederstraße, über Hamburg wurde Wolfgang ins “Zigeunerlager” im KZ Auschwitz gebracht. Annegret Stankowski, Leiterin der Adendorfer Bücherei, war im Zuge der Arbeiten an ihrer Dorfchronik vor sechs Jahren im Keller des Rathauses auf eine Karteikarte gestoßen. Stankowski: “Am 4. Mai 1943 heißt es da: ,Der Zigeuner Wolfgang Helmut Czaja, richtig Mirosch, … ist auf unbestimmte Zeit in ein polizeiliches Arbeitslager eingewiesen worden.'” Stankowski forschte weiter, schließlich hatte sie sogar die Sterbeurkunde des Sinto-Jungen ermittelt. Im Schuljahr 2011/12 beschäftigte sich der von Ruthild Raykowski, Lehrerin an der Oberschule am Katzenberg, geleitete Politikkursus “Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus” intensiv mit dem Thema. Bald war die Idee des Stolpersteins für Wolfgang Mirosch geboren, einstimmig sagte der Adendorfer Rat dann Unterstützung bei der Umsetzung und Finanzierung zu (LZ berichtete). Der Kölner Künstler Günter Demnig hatte die Idee des “Stolpersteins” Anfang der 90er-Jahre entwickelt. Die Steine erinnern an die Opfer aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die Messingtafeln werden an dem letzten selbstgewählten Wohnort der Opfer in den Gehweg eingebracht. Demnig: “Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.” Demnig war, wie Schüler, Vertreter aus Politik und Verwaltung und zahlreiche Bürger, gestern auch in Adendorf dabei. Als die Schüler Pia Vogel, Malin Morzik und Ray Dettmann über das Projekt berichteten, griff er zu Kelle, Hammer und Mörtel und verlegte den Stein zu Ehren von Wolfgang Mirosch in der Einfahrt zur Schule. “Schülerprojekte wie dieses sind in letzter Zeit immer öfter Anlass für die Verlegung von Stolpersteinen. Ich finde das sehr erfreulich.” Demnig war mittags von einer Stolpersteinverlegung in Uelzen gekommen, fuhr weiter nach Süderbrarup. “In diesem Jahr bin ich an 280 Tagen in Sachen Stolperstein unterwegs”, erklärte er. Allein in knapp 800 deutschen Städten und Dörfern sind Stolpersteine verlegt – die Tendenz ist stark steigend. Für die Schüler der Adendorfer Katzenberg-Schule nannte Lena Specht die Beweggründe für deren Engagement: “Wir sind sehr betroffen, dass einem Jungen aus unserer Gemeinde solch ein Schicksal widerfahren ist. Wir möchten, dass das Schicksal von Wolfgang Mirosch nicht in Vergessenheit gerät. Mit der Verlegung eines Stolpersteins und mit dem Anbringen einer Gedenktafel wollen wir das Leben dieses Jungen wieder ins Bewusstsein der Menschen in Adendorf zurückholen, damit der Junge, der im KZ nur eine Nummer war, wieder einen Namen bekommt |
© Landeszeitung für die Lüneburger Heide 2012